
Allianz will Liegenschaftensteuer abschaffen
Der Abstimmungskampf für die Abschaffung der Liegenschaftensteuer ist lanciert: Die grössten Verbände des Kantons und verschiedene politische Parteien haben sich zur Allianz «Steuer abschaffen» zusammengeschlossen. Die Steuer sei veraltet und unfair, hiess es an der Medienkonferenz vom Dienstag, 18. März 2025 in Weinfelden.
Stefan Mühlemann, Präsident der Allianz «Steuer abschaffen» und des Hauseigentümerverbands (HEV) Thurgau will mit der Abschaffung der Liegenschaftensteuer ein «wichtiges politisches Signal» setzen und eine «Zeitenwende» herbeiführen: «Statt zu sparen, wird Eigentum wissentlich gleich mehrfach besteuert.» Dies wollen breite Kreise nicht mehr länger hinnehmen: Die Allianz «Steuer abschaffen» besteht aus den wichtigsten Thurgauer Interessenverbänden sowie aus verschiedenen politischen Parteien (siehe Kasten).
Regierung «inhaltlich überzeugt»
Baumeister-Präsident und SVP-Kantonsrat Mathias Tschanen orientierte als Präsident der zuständigen Kommission des Grossen Rates über die Abstimmungsvorlage. Tschanen wunderte sich über den schleppenden Verlauf auf der Regierungsetage, zumal der Regierungsrat ursprünglich attestiert habe, dass der Vorstoss «inhaltlich überzeuge». Doch nach den Eintrübungen am Finanzhimmel sei ein radikaler Sinneswandel gefolgt. Hinter der Motion «Doppelbesteuerung der Liegenschaften abschaffen» standen damals federführend der Weinfelder Stadtpräsident Simon Wolfer (Die Mitte), die heutigen Nationalratsmitglieder Pascal Schmid (SVP) und Kris Vietze (FDP) sowie Tschanen selber. Zur Abstimmung kommt es nun, weil im Grossen Rat das Behördenreferendum ergriffen worden ist. «Kanton und Gemeinden nützt es nachhaltiger, wenn sie nicht auf ungerechte Steuern bauen», sagte Tschanen. Der Grosse Rat lasse in seinem Vorschlag dem Gemeinwesen bewusst genug Zeit, um Lösungen zu erarbeiten, denn: «Die Abschaffung wird erst 2029 umgesetzt.»
Seit Jahren bereichert
HEV-Geschäftsleiter Thomas Dufner schlug scharfe Töne an: «Die öffentliche Hand bereichert sich auf dem Buckel von Liegenschaftsbesitzerinnen und -besitzern – seit Jahren.» So wies er darauf hin, dass Liegenschaftsbesitz doppelt besteuert werde – nämlich einerseits auf der Basis des Vermögens und andererseits auf dem Steuerwert des Grundstücks. Hinzu komme, dass Wohneigentum noch mehr belastet werde: «Wohneigentum wird sogar vierfach belastet, nämlich mit der Liegenschaftensteuer, der Grundstückgewinnsteuer, der Handänderungssteuer und der als Gebühr kaschierten Grundbuchsteuer. Das ist unfair.» Die wegfallenden Steuerfranken kämen schliesslich «allen zugute – auch dem Wohnungsmarkt und schliesslich den Mietern». Ausserdem bemängelte Dufner, dass die Liegenschaftensteuer dem staatlichen Auftrag der Wohneigentumsförderung zuwiderlaufe: Die Bundesverfassung schreibe nämlich vor, dass der Wohnungsbau und die Verbilligung der Wohnkosten gefördert werden.
Vergleich: Kasse klingelt zweimal
Die Zweifach-Besteuerung mit Vermögenssteuer und Liegenschaftensteuer sei absolut stossend, sagte Jérôme Müggler, Direktor der Industrie- und Handelskammer (IHK) Thurgau: «Das ist wie in der Migros. Nachdem Sie ein Brot bezahlt haben, müssten sie noch zu einer zweiten Kasse gehen und dort das Brot nochmals bezahlen.» Er sieht aber ein generelles Problem, denn höhere Steuern hätten auf Unternehmensseite tiefere Investitionen zur Folge. Die Mindereinnahmen wegen der Abschaffung seien verkraftbar. Der Staat gebe immer mehr aus im Vergleich zu dem, was die Unternehmen in der gleichen Zeit erwirtschaften könnten. Müggler folgerte: «Der Kanton Thurgau hat heute primär ein Ausgaben- und nicht ein Einnahmenproblem. Ziel muss es sein, dass auf unnötige Staatsaufgaben verzichtet wird und unnötige Gesetze abgebaut werden.»
Gewerbe fordert mehr Ordnung
Der Thurgauer Gewerbepräsident Hansjörg Brunner strich hervor, dass Gewerbetreibende ebenfalls übermässig belastet würden: «Viele Gewerbetreibende besitzen privat Wohneigentum und halten zusätzlich über die Firma eine Gewerbeliegenschaft.» Von den über 100'000 versicherten Gebäuden im Kanton Thurgau würden über 27 Prozent – rund 28'000 – vom Gewerbe genutzt, das ein wichtiger wirtschaftlicher Pfeiler im Kanton sei, dem es Sorge zu tragen gelte. «Auch das Gewerbe weiss, dass ein gesunder Staat auf Steuereinnahmen angewiesen ist.» Brunner nannte unzählige Steuern und Gebühren, die das Gewerbe zu leisten habe. Deshalb erklärte er, weshalb die aus dem Ruder gelaufene Steuerpolitik derzeit im Parlament revidiert werde. Es gelte, Ungerechtigkeiten zu korrigieren: «Es ist an der Zeit, wieder etwas Ordnung in die Steuerlandschaft zu bringen.»
«Jeder Franken zählt»
Ins selbe Horn stiess Maja Grunder, Präsidentin des Verbands Thurgauer Landwirtschaft (VTL) und brachte es auf den Punkt: «Jeder Franken zählt, um den Bauernstand zu stärken. Wir stehen deshalb solidarisch hinter der Abschaffung der Liegenschaftensteuer.» Von der Doppelbesteuerung seien auch landwirtschaftliche Unternehmerinnen und Unternehmer betroffen, die im Thurgau immer noch einen beträchtlichen Anteil an Liegenschaften halten: «Es sind rund 2400 landwirtschaftliche Liegenschaften, die für den Betrieb und als Wohnraum genutzt werden.» Die Anforderungen für Bäuerinnen und Bauern würden immer höher und der finanzielle Spielraum enger. Ausserdem seien viele Bäuerinnen und Bauern gefordert, wenn es um die Betriebsnachfolge geht: «Der Staat macht allfälligen Kaufinteressierten den Budgetierungsprozess einfacher, wenn die Liegenschaftensteuer entfällt, denn sie verteuern wegen der unnötigen und ungerechten Doppelbesteuerung die meist grossen Liegenschaften zusätzlich.» Die Allianz «Steuer abschaffen» sei ein Mosaikstein und erster Meilenstein im Hinblick auf ein für alle faires Steuersystem.
Die Organisationen hinter der Allianz «Steuer abschaffen»
Die Allianz «Steuer abschaffen» besteht aus dem Hauseigentümerverband Thurgau (HEV TG), dem Thurgauer Gewerbeverband (TGV), der Industrie- und Handelskammer Thurgau (IHK TG), dem Verband der Thurgauer Landwirtschaft (VTL), dem Thurgauer Baumeisterverband (TBV) sowie bis zum jetzigen Zeitpunkt den politischen Parteien Die Mitte, EDU, SVP und Aufrecht. Die FDP fasst ihre Parole am 2. April, die GLP am 24. März. Schützenhilfe erhält die Allianz auch von der Sektion Ostschweiz des Schweizerischen Verbands der Immobilienwirtschaft (SVIT).