COVID-19-Impfung – Ein Blick hinter die Kulissen der Impfkampagne

Die Impfkampagnen laufen weltweit auf Hochtouren. Mit der Impfung ist die Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität verbunden, welche durch erste Studien bezüglich Wirksamkeit und Schutz der Impfung verstärkt wird. Auch die Schweiz fährt eine ambitionierte Impfstrategie. Die Hintergründe zu Entscheidungen, Logistik und Praxis aus drei Perspektiven.

Die Diskussionen um die Massnahmen und die Transparenz in der Kommunikation rund um die Impfstrategie reissen nicht ab. Der Durchschnittsbürger wird oft vor vollendete Tatsachen und gefasste Entscheidungen gestellt. Dr. med. Anita Niederer, Fachärztin für Infektiologie am Kinderspital St. Gallen, kennt die Abläufe hinter den Kulissen bestens. Sie ist Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF), welche die landesweite Impfstrategie erarbeitet hat. Sie erklärt, dass sich der Bundesrat von verschiedenen Arbeitsgruppen beraten lasse, welche sich aus Vertreterinnen und Vertretern von diversen Gremien wie der EKIF, dem Bundesamt für Gesundheit, der Taskforce und weiteren Kommissionen zusammensetzen. «Diese Arbeitsgruppen arbeiten vernetzt und sind aus Experten der relevanten Gremien
zum ihnen zugewiesenen Thema zusammengesetzt.» Der Bundesrat trage schlussendlich die Verantwortung und treffe auch die finalen Entscheide.

Von Prognosen und Langzeitdaten

«Eine grosse Herausforderung ist die Erwartung der Menschen nach klaren Aussagen für die Zukunft, handelt es sich doch dabei immer um Vermutungen», so Niederer. Es gebe viele unsichere Faktoren bezüglich des Schutzes der Impfung. Kritiker bemängeln oft auch fehlende Langzeitstudien, welche laut Niederer jedoch absolut normal seien. «Bei jedem neuen Medikament oder Impfstoff fehlen bei der Zulassung die Langzeitdaten.» Die Zulassung für die Impfstoffe wurde in einem rollenden Zulassungsverfahren erteilt, bei welchem die Daten aus den Studien der Hersteller jeweils fortlaufend eingereicht und geprüft wurden. Die Kriterien seien dabei ordnungsgemäss erfüllt worden, wie Niederer betont: «Aus medizinischer Sicht gibt es keine Hinweise auf schlimme Nebenwirkungen der Impfung, hingegen kann man durch die Impfung schwere Krankheitsverläufe vermeiden, was eine Zulassung rechtfertigt.»

Die Impfung wirkt – wie gut?

Das primäre Ziel bei der Impfstoffentwicklung sei die Verhinderung von Todesfällen und schweren Krankheitsverläufe mit Spitaleinweisungen gewesen, meint Dr. med. Danielle Vuichard, Leitende Ärztin der Infektiologie beim Kantonsspital Münsterlingen. In diesem Hinblick dürften die in der Schweiz verfügbaren Impfstoffe eine sehr hohe Wirksamkeit erreichen. «Erst jetzt kommen langsam die Studienergebnisse, dass mit den Impfstoffen auch mildere Krankheitsverläufe verhindert werden können.» Es gebe auch vermehrt Hinweise dafür, dass die Impfung die Übertragungen auf andere Personen verhindern kann. Ein wichtiger Schritt zur Entwicklung einer Herdenimmunität, welche jedoch eine hohe Anzahl geimpfter Personen erfordert. «Die Impfung ist ein wichtiger Pfeiler in der Bekämpfung der Pandemie», betont
Vuichard.

Komplexe Handhabung der Impfstoffe

Eine hohe Zahl geimpfter Personen ist auch das Ziel von Dr. Karin Frischknecht, der Amtschefin des Amtes für Gesundheit des Kantons Thurgau. «Der Kanton orientiert sich auch an den Zielvorgaben des Bundes, wonach bis diesen Sommer 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sein sollen.» Die kantonale Impfstrategie setze dabei auf mobile Impfteams in Alters- und Pflegeheimen, Impfungen in ausgewählten Hausarztpraxen und in Impfzentren, wovon ein weiteres ab April in Weinfelden geplant sei. Eine grosse Herausforderung stelle die komplexe Handhabung der mRNA-Impfstoffe dar. «Der Impfstoff von Pfizer/BioNTech muss bei über minus 60° Celsius gelagert und transportiert werden. Ausserdem muss er nach dem Auftauen verdünnt innert sechs Stunden verabreicht werden.» Der Moderna-Impfstoff eigne sich besser für die Impfung in den Arztpraxen, weil er nicht verdünnt werden muss und länger im Kühlschrank haltbar sei. Hinzu kämen komplexe Vorbereitungen Abläufe in der IT, um die entstehenden Daten rund um die Impfung zu verarbeiten. 

Risikogruppe mit hoher Impfbereitschaft

Der Kanton Thurgau habe vom Bund bis Ende Februar ein Kontingent von 21 000 Impfdosen erhalten, welches er vollständig abgerufen wurde. «Vom Bund wird ein wöchentlicher Lagerapport mit den Kantonen, Vertretern des Bundesamts für Gesundheit und Vertretern der Logistikbasis der Armee durchgeführt», so Frischknecht. Durch Lieferverzögerungen können die Impfkapazitäten im Kanton wahrscheinlich erst im Frühsommer voll ausgeschöpft werden. Grundsätzlich stellt Frischknecht eine grosse Impfbereitschaft in der Bevölkerung fest, was sich an der hohen Nachfrage nach Impfterminen zeige. «Da aufgrund der aktuellen Impfstoff-Knappheit noch nicht alle Impfwilligen der Zielgruppe 1 einen Impftermin erhalten haben, steigt die Ungeduld.» Zur Impfbereitschaft der jüngeren Bevölkerungsgruppen kann noch keine Aussage gemacht werden. Wenn der Kanton seine Impfstrategie weiterhin gezielt umsetzen kann und die Impfbereitschaft auch bei der jüngeren Bevölkerung hoch ist, hat die Impfung das Potenzial, der Gesellschaft einen Ausweg aus dem Lockdown in einen Alltag mit Virus zu bereiten. Eine verheissungsvolle Prognose, die mit Vorsicht zu geniessen ist.

So funktionieren die mRNA-Impfstoffe von Pfizer/BioNTech und Moderna

mRNA-Impfstoffe basieren auf einer Ribonukleinsäure, welche dem Patienten bei der Impfung verabreicht wird. Diese mRNA (messenger Riboaucleic Acid) beinhaltet einen genetischen Code für das so genannte Spike-Protein, welches an der Oberfläche der Virenzellen vorkommt. Gelangt dieser Code in die Zellflüssigkeit eines Menschen, wird das Spike-Protein gemäss dem Code produziert und anschliessend dem Immunsystem als Antigen präsentiert. Das Immunsystem erlernt die Fähigkeit, Antigene nach diesem Bauplan zu bekämpfen und bildet Antikörper, welche an das Spike-Protein andocken können. Dadurch kann das Virus nicht mehr in die menschlichen Zellen eindringen. Es kann von den Zellen des Immunsystems erkannt und zerstört werden, und der Patient wird immun gegen das Virus.

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